Denn wir lehnen die 13b-Gebiete auch ab, weil wir der festen Überzeugung sind, dass sie wirtschaftlich, wie ökologisch für Marxzell und für viele Marxzeller Bürger ein fataler Fehler sind, den wir ggf. heute noch vermeiden können.
Das Hauptargument für die Umsetzung der Baugebiete ist: Durch die Neubaugebiete wird die Bevölkerungszahl stabilisiert und es kommt mittelfristig zu einem Bevölkerungszuwachs. Das wiederum produziert Einnahmen, die mittel- und langfristig der Gemeinde zugutekommen.
Bedauerlicherweise haben wir von der Verwaltung bis heute keine Abschätzung der zu erwartenden Ein- oder Ausgaben erhalten. Wir hier im Gremium haben jedoch über Haushaltspläne, Gebührenkalkulationen, Abmangelberechnungen usw. alle Zahlen vorliegen, um diese Abschätzung grob machen zu können. Und das haben wir von
Marxzellplus getan.
Für meine Abschätzung habe ich eine Einwohnerzahl von 5.000 Marxzeller:innen zugrunde gelegt und mich nur auf die ganz großen Ein- und Ausgabeposten konzentriert.
Zudem basiert die Abschätzung nur noch auf den Gebieten Pfaffenrot und Schielberg, nachdem Burbach ja voraussichtlich nicht umsetzbar ist. Für Pfaffenrot und Schielberg sind, wie man in den Rahmenplänen der Firma Schöffler nachlesen kann, ein MAXIMALER Zuwachs von 369 Einwohnern angegeben. Da aber erfahrungsgemäß nicht alle Plätze mittelfristig verkauft werden, habe ich kalkuliert, dass nur ca. 80 % der Grundstücke auch bebaut und bezogen werden. Das entspricht dem Wert, den wir in den bestehenden Marxzeller Neubaugebieten momentan beobachten können.
80 % von 369 Einwohnern sind 295 Neubürger:innen, die wir maximal erwarten dürften.
Ich weiß, wie ermüdend solche Ausführungen sein können. Deswegen werde ich hier nur die Ergebnisse präsentieren, gebe aber gerne jedem und jeder, die daran interessiert ist, meine Kalkulation im Detail, inkl. aller Quellen an die Hand. Auch wenn es manche hier vielleicht nicht glauben: Ich habe mich bemüht alles so neutral und tragfähig wie möglich zu kalkulieren, um eine möglichst robuste, nachvollziehbare Abschätzung zu erhalten.
Was für Einnahmen erwarten wir?
- Einkommenssteuer:
Sie lag in den letzten Jahren im Schnitt bei 770 € pro Einwohner und Jahr
Zuwachs: 295 * 770 € (heißt: Wirklich alle Neubürger zahlen EkSt!) = ca. 227.000 € - Umsatzsteuer:
Sie lag in den letzten Jahren im Schnitt bei 24,90 € pro Einwohner und Jahr
Zuwachs: 295 * 24,90 € (heißt: Wirklich alle Neubürger zahlen USt!) = ca. 7.500 €
- Sonstige Zuwendungen (z.B. KiGa-/Schüler Ausgleich usw.):
Sie lag in den letzten Jahren im Schnitt bei 166 € pro Einwohner und Jahr
Zuwachs: 295 * 166 € (heißt: Wirklich alle Neubürger zahlen USt!) = ca. 50.000 €
- Schlüsselzuweisungen:
Sie lag in den letzten Jahren im Schnitt bei 460 € pro Einwohner und Jahr
Zu erwartender Zuwachs: 295 * 460 € = ca. 136.000 €
- Grundsteuer:
Die KBB ging im Sept. 2022 für Ammenäcker und Engert II von 240 € zu erwartendem Bodenrichtwert aus.
Ich habe hier sogar 310 € Bodenrichtwert angesetzt.
Damit erwarten wir Einnahmen von: ca. 45.000 €
In Summe können also mit einem jährlichen Zuwachs rechnen von: ca. 466.000 € pro Jahr rechnen.
Nun sehen wir uns die Ausgabenseite an. Hier haben wir:
- Kreisumlage, FAG-Umlage, Schul- oder Kiga-Lastenausgleich
Diese lagen im Haushalt 2023 bei 955 € pro Einwohner + Jahr
Zu erwartende Ausgaben: 295 * 955 € = ca. 282.000 €
- Personalkosten
Ein solcher Zuwachs muss verwaltet werden. Hier habe ich als neue Stellen angesetzt
½ Stelle Bauhof (TVöD 5), ½ Stelle Verwaltung (Orga/Einwohner; TVöD 8) und 1 Stelle Kita/Kiga Pfaffenrot (Tarif S8a)
Das ergibt pro Monat ca. (2.700 € Bauhof + 3.100 € Verwaltung) / 2 + 3.500 € Erzieher:in
Also pro Jahr ca. 77.000 € - Kosten für Kinderbetreuung
Im Augenblick finanziert die Gemeinde jedes Kindergartenkind mit ca. 1.800 € pro Jahr
(Quelle: Abmangelberechnung der KBK 2020). Bei 295 Neubürgern setzte ich 15 Kinder an
(= Auf 20 Neubürger kommt ein Kind). Das ist unter dem Schnitt der bestehenden Neubaugebiete.
Damit ergeben sich zusätzliche Abmangelkosten von 15 * 1.800 € pro Monat
Also pro Kindergartenjahr (11 Monate) ca. 297.000 €
An der Stelle beende ich die Rechnung.
Wir kommen jetzt auf zu erwartende laufende Ausgaben von ca. 656.000 € pro Jahr
Und das ist keine Schönrechnerei, sondern in Erwartung von Kritik, sogar konservativ angesetzt. Es zeichnet sich schon hier ein jährlicher Verlust von ca. 200.000 € ab, den die Neubaugebiete der Gemeinde pro Jahr kosten werden. Einnahmen werden keine nennenswerten dazu kommen. Einmalige weitere Ausgaben aber vermutlich schon; z.B. erweiterte Infrastrukturen, Erweiterung des Feuerwehrbedarf usw.
Betrachtet man Pfaffenrot und Schielberg getrennt, ist Schielberg sogar noch wesentlich verlustreicher. Dadurch, dass hier alle Mehrfamilienhäuser gestrichen wurden, sank die Einwohnerdichte auf nur 42 Einwohner pro Hektar. In Pfaffenrot beträgt sie 68 Einwohner pro Hektar, in Burbach wären es 61 Einwohner. Rein monetär betrachtet „erwirtschaftet“ das Schielberger Baugebiet also auch nur 60% dessen, was Pfaffenrot an Einnahmen generiert.
Die Rechnung ist damit aber noch nicht zu Ende.
Ich komme nun zu einem ganz anderen Thema und damit konkret zum Baugebiet „Ammenäcker“ in Schielberg. Hier haben wir eine große Besonderheit: Das Gebiet soll ca. 40.000 m² umfassen. Davon sind ca. 18.000 m² sog. FFH-Mähwiesen.
Allen, denen die Brisanz dieser Aussage nicht klar ist: FFH-Mähwiesen sind nicht irgendeine Wiese. Es handelt sich hier um EU-rechtlich hochgradig geschützte Flächen (sog. FFH-Lebensraumtyp 6510). Mittlerweile haben zudem alle FFH-Mähwiesen automatisch den Status eines Biotops. Selbst wer sich im Naturschutz nicht auskennt weiß: „Biotop = etwas Besonders“.
Werden diese Flächen gestört, weil sie z.B. überbaut werden, müssen sie, so das Gesetz, „dauerhaft“ und 1-zu-1 exakt so, wie sie vorher waren an anderer Stelle wiederhergestellt UND unterhalten werden.
„Dauerhaft“ heißt nach Rechtsprechung „auf zugesichert mindestens 25 Jahre“ und „1-zu-1“ heißt EXAKT so wie vorher. Nicht „ein bisschen“ und nicht „so ähnlich“. Das geht im Aufwand weit hinaus über „Wir streuen ein paar heimische Samen und mähen zweimal im Jahr“.
Der BUND, der NABU und der Landesnaturschutz-Verband (LNV) haben uns in ihrem Schreiben auf diesen Umstand schon aufmerksam gemacht. Das Schreiben ist ein wenig sperrig, hat mich aber neugierig gemacht.
Und so fragte ich mich: Was heißt das konkret für die jetzigen Grundbesitzer und Gemeinde?
Für die jetzigen Eigentümer: Nichts. Die Eigentümer können nichts dafür, wenn die Gemeinde dort ein Baugebiet ausweisen möchte. In dem Fall gilt die Gemeinde als sog. „Zustandsstörer“ und ist damit voll selbst in der Verantwortung und trägt vor allem alleinig alle Kosten.
Eine 1-zu-1 Wiederherstellung der 18.000 m² FFH-Mähwiesen bedeutet, dass die Gemeinde diese 18.000 m² an anderer Stelle neu anlegen muss. 18.000 m² exakt gleich, wie vorher.
Schon das ist ein hoher Finanzaufwand, aber damit nicht genug. Die Gebiete müssen zugesichert über mindestens 25 Jahre nach exakten Vorgaben gepflegt und ge-monitort werden. Damit hier niemand auf falsche Gedanken kommt: Nein, DIESE Kosten sind NICHT umlagefähig!
Wir haben uns mit dem Landratsamt in Verbindung gesetzt. Sollen Mähwiesen, z.B. durch Bauland, zerstört werden, muss dies die Naturschutzbehörde mittlerweile zwingend genehmigen; auch bei 13b-Gebieten! Das ist die Besonderheit von FFH-Mähwiesen. Sie kann dabei die Genehmigung auch vollständig versagen. Die Naturschutzbehörde ist hier noch unsicher. Es hänge von der konkreten Eingabe ab. Wenn die Genehmigung jedoch erteilt werde, dann in jedem Fall nur unter folgenden Auflagen, weil diese gesetzlich vorgeschrieben sind:
- Wiederherstellung von 18.000 m² FFH-Mähwiesen im Gemeindegebiet
- Aufbereitung exakt gleich in Art und Güte (1-zu-1) zu den verlorengegangenen
- Pflege auf zumindest 25 Jahre
- Kontinuierliches Monitoring und regelmäßiger Bericht an die Naturschutzbehörde durch eine unabhängige Stelle
(z.B. die uns bekannte Firma BIOPLAN)
Wir haben noch weiter nachgefragt: Weder Dr. Rösch, Naturschutzbeauftragter des Landkreises, noch die Kreisökologin bei der Naturschutzbehörde beim LRA Karlsruhe, Frau Krope, kennen eine einzige wiederhergestellte FFH-Wiese im Landkreis, bei der die Wiederherstellung in absehbarer Zeit tatsächlich gelungen sei.
Das hat enorme finanziellen Auswirkungen auf die Kommune. Als Beispiel kann hier der alte Karlsruher Flughafen gelten, bei dem die Stadt Karlsruhe schon seit einem Jahrzehnt versucht einen 1-zu-1 Ausgleich zu schaffen, ohne das Ziel bisher zu erreichen.
Das hat bislang mehrere 100.000 € verschlugen und wir müssen uns klar sein, dass das auf Marxzell, sollte Ammenäcker umgesetzt werden, auch zukommen wird. Man beachte: Das auszugleichende Gebiet in Karlsruhe ist kleiner als die 18.000 m² in Schielberg.
Ammenäcker Schielberg bedeutet für die Gemeinde alleine deshalb einen mehrfach höheren Finanzeinsatz und dass – wir erinnern uns – obwohl es durch seine gewünschte, geringe Einwohnerdichte fast 40% weniger Einnahmen als Pfaffenrot erbringen wird.
Sollte jetzt aber einer oder eine denken „wo kein Kläger, da kein Richter“ und in längstens fünf Jahren kräht kein Hahn mehr nach den FFH-Wiesen: Der BUND, der NABU, der LNV, der Naturschutzbeauftragte des Landkreises und sogar die Naturschutzbehörde selbst haben Marxzell und Marxzellplus darauf aufmerksam gemacht, dass sie darauf achten werden. Diese Rechnung wird also nicht aufgehen.
Selbst wem das nicht genug ist: Lasst euch versichert sein: ICH persönlich werde dafür sorgen, dass diese FFH-Ausgleichsflächen nicht in Vergessenheit geraten. Auch wenn ich schon lange kein Gemeinderat mehr sein werden.
- Marxzellplus bittet darum keines der 13b-Baugebiete umzusetzen.
Das Argument des „Gesundwachsens“ funktioniert nicht. Wir werden schon alleine mit Pfaffenrot Verluste machen. Schielberg Ammenäcker jedoch wäre eine ökologisch, wie finanzielle Katastrophe für Marxzell und es kann jetzt später niemand mehr hier im Raum sagen, er oder sie habe dies nicht gewusst.
Daher unsere dringliche Bitte: Bitte lassen Sie uns dieses Projekt nicht weiterverfolgen.
Es gibt andere, bessere Wege für die Natur, die Einwohner und die Finanzen von Marxzell.